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Psychische „Erste Hilfe“ im Unternehmen: b2g erweitert Krisentrainings um das Modul Kim – Krisenint


Was tun, wenn ein/e KollegIn am Arbeitsplatz verunfallt? Ganz klar, man leistet erste Hilfe. Was aber, wenn es sich nicht um körperliche, sondern um psychische Verletzungen handelt, die zum Beispiel durch einen Schock entstehen können? Diese bleiben oft unbehandelt. Jährlich entstehen Betrieben und Versicherungen dadurch hohe Kosten – von Arbeitsausfällen bis hin zu Frührenten. Dabei ist „Erste Hilfe für die Psyche“ genauso einfach zu erlernen wie das Auflegen eines Dreieckstuchs oder die stabile Seitenlage.

Das Krisenersthelfer-Training KiM ist die erste Ausbildungsreihe für psychische Ersthilfe in österreichischen Unternehmen. Sie wurde aus der Erfahrung von Blaulicht-Organisationen und den Peer-Support-Systemen von Fluglinien entwickelt. In diesem Programm wird ein Team von MitarbeiterInnen mit einer strukturierten Gesprächstechnik und dem nötigen psychologischen Basiswissen im Zusammenhang mit Traumafolgen vertraut gemacht, die bei Unfällen und Krisensituationen im Betrieb auftreten können. Mit diesem Know How kann bei psychisch belastenden Ereignissen rasch und niederschwellig geholfen werden. Damit bietet KiM eine sinnvolle Ergänzung zu klassischen Krisentrainings in Betrieben.

„Und dann ist der Kollege brüllend vor mir gestanden und beide Hände waren komplett verbrannt“, erzählt ein Koch im Rahmen der Krisenersthelfer-Ausbildung. „Es war furchtbar für mich, aber noch schlimmer war es für die junge Kollegin. Die hat ihre Lehre dann kurz vor dem Ende abgebrochen.“ Was der Teilnehmer hier schildert, ist recht typisch. Bei einem dramatischen Arbeitsunfall werden die körperlichen Wunden des Unfallopfers versorgt, der psychische „Kollateralschaden“ bleibt aber unbemerkt. Und dieser beschränkt sich nicht auf das Opfer selbst, sondern meist auch auf UnfallzeugInnen oder ErsthelferInnen. Auf dramatische Ereignisse und bedrohliche Situationen reagieren die meisten Menschen mit einer akuten Belastungsreaktion. Die Bedrohung muss dabei nicht real sein, auch ein „Scherzanruf“ mit einer Bombendrohung kann massive Ängste und eine Traumafolgestörung auslösen.

In manchen Fällen klingt die an sich normale Belastungreaktion nicht von selber ab und es entsteht eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Neben unkontrollierbaren „Flashbacks“ oder Panikattacken zeigen die Betroffenen oft ein zunehmendes Vermeidungsverhalten. Die Betroffenen haben dann z.B. Angst sich wieder an ihren Arbeitsplatz zu begeben, wo sie etwas Schlimmes erlebt haben, oder sie vermeiden bestimmte Tätigkeiten. Vermehrte Krankenstände, schlechter werdende Arbeitsleistung, psychosomatische Beschwerden, Kündigungen oder Arbeitsunfähigkeit sind die Folge. Für die Betriebe entstehen dadurch erhöhte Kosten im HR-Bereich.

Dies schlägt sich auch in den Statistiken nieder: Laut einer IHS-Studie aus dem Jahr 2016 steigt in Österreich die Zahl der Bezieher von unbefristeten Invaliditätspensionen aufgrund von psychischer Erkrankungen immer weiter. 26 % der unbefristeten Invaliditätspensionen bei Männern haben psychisch bedingte Ursachen, bei Frauen beläuft sich dieser Anteil auf 48 %. Bei befristeten Invaliditätspensionen liegt der Anteil sogar bei 57 % (Männern) beziehungsweise 69 % (Frauen). Der Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger schrieb, dass bereits 2009 in der Gruppe der Erwerbsfähigen (Alter 21-60) ein starker Anstieg der der Medikamentenverschreibung festzustellen war. Im Vergleich zu Jugendlichen wurde in der Altersgruppe der jüngeren Erwerbstätigen (bis 40 Jahre) mehr als die dreifache Menge an Medikamenten verschrieben.

Aber sind traumatische Erlebnisse am Arbeitsplatz nicht eher die Ausnahme? Nein, denn so unterschiedlich Menschen sind, so verschieden sind auch ihre Reaktionen auf Belastungen. Was für den einen eine Bagatelle ist, die schnell abgehakt wird, kann für die andere hoch dramatisch erlebt werden. Die Praxiserfahrung und Studien zum Thema zeigen, dass ein strukturiertes Gespräch möglichst schnell nach einer belastenden Situation hilft, das Erlebte besser zu verarbeiten. So können auch langfristige psychische Störungen in vielen Fällen vermieden werden. Durch die kollegiale Hilfe sind die Schwellen, Hilfe in Anspruch zu nehmen, herabgesetzt. Anders als bei externen NotfallspsychologInnen muss einem Kollegen nicht erst erklärt werden, wie bestimmte Arbeitsabläufe sind und das Gespräch über den Ablauf des belastenden Erlebnisses läuft runder. Die LaienhelferInnen werden auch darin geschult, wann professionelle psychologische oder psychiatrische Hilfe nötig ist. Die Angst „etwas falsch zu machen“ ist – ebenso wie in der traditionellen Ersten Hilfe – unbegründet. In einer psychischen Notsituation ist alles besser als schweigend darüber hinwegzugehen. Mit der strukturierten Gesprächsführung der Krisenersthilfe aber kann ganz gezielt eine psychologisch effektive Intervention gesetzt werden, die die Betroffenen in der Verarbeitung unterstützt.

Geleitet wird das Krisenersthelfer-Training bei bettertogether von Kommunikationspsychologin und PR-Expertin Mag. Susanne Grof-Korbel und Astrid Herdl-Kainzmayer, Akademische psychologische Beraterin mit langjähriger Peererfahrung bei einer Fluglinie und ehrenamtliche Mitarbeiterin der Krisenintervention beim österreichischem Rotem Kreuz. In dem Modul lernen die TeilnehmerInnen psychische Notsituationen zu erkennen und psychische „erste Hilfe“ zu leisten. Zusätzlich werden ihnen verschiedene Maßnahmen aufgezeigt, um auch nach den Krisen die Betroffenen zu betreuen und sie an professionelle Hilfe zu vermitteln.


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